Abgeordnetenspalte:
Energiewende ist dringend

13. Mai 2022

Dieser Text erschien am 13. Mai 2022 im Schwäbischen Tagblatt in der Rubrik “Abgeordnetenspalte”

Hermann Scheer, einer der wichtigsten Vorkämpfer für die Energiewende, sagte einmal, dass der Wechsel zu erneuerbaren Energien eine zivilisationsgeschichtliche Bedeutung habe. Selten hat sich das so wahr angefühlt wie dieser Tage: Unsere energiepolitische Abhängigkeit von Russland erweist sich als Bedrohung unserer Souveränität. Und eine neue Prognose der Weltwetterorganisation mahnt, dass wir die 1,5-Grad-Schwelle bereits 2026 erstmals erreichen. Knapp, meinte Scheer, seien nicht die erneuerbaren Energien, knapp sei die Zeit.


Gut also, dass die Landesregierung vor einem Jahr versprach, den Ausbau erneuerbarer Energien deutlich zu beschleunigen. 1000 Windkraftanlagen wurden versprochen. Das hochtrabende Ziel kassierte der Ministerpräsident in einer Pressekonferenz letzte Woche wieder und stellte 100 Windräder pro Jahr in Aussicht. Aber selbst das scheint zu ambitioniert: Lediglich drei Windkraftanlagen sind im ersten Quartal 2022 im Ländle in Betrieb gegangen.


Und bei der Solarenergie schreibt Stuttgart inzwischen zurecht jedem Häuslebauer vor, dass Fotovoltaik aufs Dach muss, bei den eigenen Gebäuden hinkt man jedoch hinterher. Tausende Immobilien in Baden-Württemberg gehören dem Land, auf gerade einmal zwei Prozent davon gibt es Solaranlagen. Zum Vergleich: In Rheinland-Pfalz sind es 15 Prozent. Auch im Landkreis Tübingen ist die Ausstattung desaströs: Meine allererste Anfrage als Abgeordnete vor einem Jahr ergab, dass von mehr als 500 landeseigenen Gebäuden im Kreis gerade einmal sieben eine Solaranlage besitzen.


Vergangenes Jahr versprachen die Grünen, dass ihr Nein zu einer Ampel in Baden-Württemberg keine Abstriche beim Klimaschutz bedeuten würde. Aber außer schönen Überschriften ist kaum etwas passiert. Dabei hat die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern durch den Krieg in der Ukraine noch einmal an Dringlichkeit gewonnen. Die Energiewende ist nicht nice-to-have, sondern entscheidend, wenn wir Freiheit, Wohlstand und Sicherheit schützen wollen. Seit Jahren gibt der grüne Ministerpräsident stets dem Bund die Schuld. Nun regiert dort die Ampel, die beim Klimaschutz mutig vorangeht. Schuld ist der Bund? Das lassen wir den Grünen nicht mehr als Ausrede durchgehen. Die Zeit ist dafür einfach zu knapp.