Abgeordnetenspalte:
Politik für den Sparstrumpf

21. Mai 2021

Dieser Text erschien am 21. Mai 2021 im Schwäbischen Tagblatt in der Rubrik “Abgeordnetenspalte”



Zum ersten Mal darf ich als Landtagsabgeordnete eine Abgeordnetenspalte im Schwäbischen Tagblatt schreiben. Ich freue mich sehr, die kommenden fünf Jahre den Wahlkreis Tübingen im Landtag vertreten zu dürfen. Herzlich bedanken möchte ich mich bei allen Wähler*innen, die das ermöglicht haben!  


Ich hätte mir bekanntlich eine andere Koalition gewünscht. Allerdings gefiel Ministerpräsident Kretschmann Stillstand mit einer schwachen CDU wohl einfach besser als Fortschritt mit selbstbewussten Sozialdemokrat*innen und Liberalen. Nun steht die neue Regierung, und einen „Erneuerungsvertrag“ – Erneuerung braucht es wohl nach den ersten fünf Jahren Grün-Schwarz bereits – haben sie auch im Gepäck. Der Koalitionsvertrag enthält durchaus gute Vorhaben und weckt Erwartungen. Ich wage aber die Prognose, dass die zukünftige Bewertung der Politik – allen voran durch die Generation Fridays for Future – bestenfalls mäßig ausfallen wird. Zu jeder großen politischen Frage unserer Zeit heißt es zu Beginn jedes Kapitels von Grünen und Schwarzen erst einmal: Wir unternehmen nur etwas, wenn Geld übrig ist.  


In unseren Städten und Gemeinden fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Strom, Mobilität und Wärme stammen weiterhin vor allem aus dreckigen fossilen Energieträgern. Und der Bildungserfolg tausender Kinder hängt ungebrochen vom Geldbeutel der Eltern ab. Viel zu tun also. Da kann man den sozialen und ökologischen Umbau unserer Gesellschaft doch nicht davon abhängig machen, dass der neue grüne Finanzminister ein paar Cent im Sparstrumpf findet.  


Jetzt könnte man natürlich – ganz schwäbisch – das Sparen an sich zur Tugend erheben. Dann stellt sich jedoch die Frage, warum die neue Koalition sich gut bei Posten bedient: mehr Staatssekretäre als am Kabinettstisch Platz haben; ein nagelneues Ministerium, damit die CDU Gesicht wahren kann: Für Pöstchen galt der Finanzierungsvorbehalt offenkundig nicht.  


Sie sehen: Einer solchen Regierung tut es gut, wenn man ihr auf die Finger schaut. Ich freue mich drauf.